Liebe Hörer des Herzensfeuers,
nach meiner zweimonatigen Pause melde ich mich mit Versen Inger Christensens, aus ihrem Langgedicht “alfabet” zurück.
Dennis Scheck nennt Christensen in einem Beitrag eine Universalgelehrte, was sie bestimmt ist und ebenso auch eine der geistreichsten Frauen des letzten Jahrhunderts.
Was mich aber am meisten an ihrem Werk berührt ist, dass sie es schafft, den Schmerz genauso, wie das Glück zu benennen. Dass sie in der Lage ist, Liebe und Schmerz, Bewusstsein und Gefühl, Wissenschaftlichkeit und Dichtung, Intellekt und Sehnsucht gleichwertig in den Händen zu halten und, wie ich meine, sich allem stellt, es zu Ende denken und zu Ende fühlen kann. Es gelingt ihr, die scheinbaren Gegensätze zu benennen, ohne das eine um des anderen Willen zu leugnen.
Wenn ich mir Fotos von Inger Christensen anschaue, sehe ich einen See von Traurigkeit in ihren Augen, eine große Zerbrechlichtkeit, aber auch Güte, und denke, dass diese Frau bereit war alles zu denken und zu fühlen: das Schöne und das Schlimme. Und im Gegensatz zu einer rein wissenschaftlichen oder intellektuellen Auseinandersetzung mit der Welt und unserem Leben als Mensch darin, fließt in ihr Werk auch Alltag ein. Die Erziehung eines Kindes, die Angst vor dem Tod, das Erlebnis einer Liebe, der Geschlechtsakt zwischen Mann und Frau… - das wirkliche Leben bestehend aus Schmerz, Liebe, Verlust, Krankheit, Neugier, Forscherdrang, dem Ringen mit der eigenen Sterblichkeit u. v. m. Dies alles aber nicht im Selbstverwirklichungsmodus, sondern immer arbeitete sie dichterisch mit komplizierten, außergewöhnlichen Formprinzipien. Sie wollte, dass die Dinge über sie selbst hinaus etwas sagen.
In alfabet hat sie mit zwei Formprinzipien gearbeitet, dem Alphabet und der Fibonacci Folge. Diese Zahlenreihe, benannt nach dem italienischen Rechenmeister aus dem zwölften Jahrhundert, Leonardo Fibonacci, ist potenziell unendlich und besteht aus Zahlen, die sich jeweils aus der Summe der beiden vorangegangen Zahlen ergeben, also 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, 233 und so weiter. (D. Scheck s.u.)
„...mir ging […] auf, daß ich Wörter sammelte, um mich selbst daran zu erinnern, daß die entsprechenden Dinge existierten, und um die Hoffnung auf ihr weiteres Existieren anzurufen. Ein beschwörender Charakter, aber […] noch keine beschwörende Form. Und in der Form liegt ja die eigentliche Beschwörung.“
Inger Christensen
Verlegt ist Inger Christensen beim Kleinheinrich Verlag in Münster
Unter diesem Link finden Sie ein wahres Füllhorn an interessanten Beiträgen über Inger Christensens „alfabet“:
http://www.planetlyrik.de/inger-christensen-alfabet-alphabet/2012/02/
Wenn sie keine Zeit haben alles zu lesen, empfehle ich besonders den Beitrag „Vo
m Alphabethisieren“, von Hans Grössel ihrem kongenialen deutschen Übersetzer, sowie ein Interview, dass Peter Waterhouse (selbst Dichter) geführt hat:
”Der paradiesische Raum − Die dänische Schriftstellerin Inger Christensen. “
(Gesprächsessay für das Radio, gesendet im WDR, Köln)
Ein sehr lohnender Vortrag von Nico Bleutge, ebenfalls ein Dichter, im Lyrikkabinett München. https://www.dichterlesen.net/veranstaltungen/detail/zwiesprachen-nico-bleutge-ueber-inger-christensen-3301/
Wikipedia Eintrag:
https://de.wikipedia.org/wiki/Inger_Christensen
Dennis Scheck:
Hier kann man sie selbst auf Dänisch Teile aus alfabet sprechen hören:
https://www.lyrikline.org/de/gedichte/alfabet-13-alfabeterne-findes-3156
Und hier die Links zu Teller, Sacharow und ihren Werken:
Mark 15 – die erste transportable Wasserstoffbombe der USA https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9398034
Eniwetok Atomtests Video:
https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Enewetak_atomic_detonations.ogv
Newa Semlja Atomtest:
https://de.wikipedia.org/wiki/Eniwetok
https://de.wikipedia.org/wiki/Edward_Teller
https://de.wikipedia.org/wiki/Nowaja_Semlja#Atomtestgebiet
https://www.spektrum.de/magazin/andrej-d-sacharow-vom-atomphysiker-zum-menschenrechtler/825499
hören können Sie den Podcast wie bisher auf Podigee, Spotify, YouTube, usw. und auch hier auf Substack:
Wie immer freue ich mich über Reaktionen und Feedback.
Eine schöne Osterzeit!
Herzlichst
An Kuohn